Joggen geht trotzdem
so stand es am 9. Juli in der Waiblinger Kreiszeitung unter der Rubrik Wissenswert. Nachfolgend Auszüge aus dem Artikel von Jörg Zittlau:
CHICAGO. Schwimmen, Walking und Radfahren: Ja. -Doch Jogging, Aerobic oder gar Skifahren? Nein. Gerade ältere und Übergewichtige Menschen glauben oft, dass bestimmte Sportarten schlecht für ihre Kniegelenke sind. Doch eine aktuelle Studie belegt das Gegenteil. Demnach ist gelenk belastender Sport immer noch besser fürs Knie als gar kein Sport. Von ihnen -aber auch von ihren Ärzten — hört man daher immer wieder, dass sie bei ihren sportlichen Aktivitäten behutsam vorgehen sollten. Nicht zu viel sollte es sein, und bloß keine gelenk intensiven Disziplinen wie Tennis, Squash, Joggen oder Aerobic. Dabei ist Inaktivität, wie jetzt US-Forscher ermittelt haben, weitaus schlimmer fürs Knie.
Das Team von der Northwestern University in Chicago hat bei knapp 1200 Männern und Frauen über zehn Jahre hinweg das Risiko untersucht, an einer Gonarthrose, also an einem schmerzhaften und entzündlichen Verschleiß der Kniegelenke zu erkranken.
Das Durchschnittsalter der Probanden lag zu Studienbeginn bei 58 Jahren, ihr Körpergewicht lag im Durchschnitt etwas über der Norm. Einige von ihnen klagten zwar schon über gelegentliche Schmerzen im Knie, doch ihr medizinischer Befund war an diesem Gelenk noch unauffällig. Sie gehörten also zur Risikogruppe für eine Gonarthrose, waren aber noch nicht konkret an ihr erkrankt. Die-Probanden wurden in dem Studienzeitraum mindestens zweimal radiologisch untersucht, und dabei unterzogen sie sich auch einem Interview zu Ihren sportlichen Tätigkeiten. Die Forscher legten dabei den Fokus auf ,,strapaziöse Disziplinen“, unter denen gelenkintensive Aktivitäten deutlich überpräsentiert waren. Nach Ablauf der zehn Jahre hatten rund 13 Prozent der Studienteilnehmer eine Gonarthrose entwickelt. Doch das ist ja nur der Durchschnittswert. Die Nichtsportler hatten nämlich eine Quote von über 15 Prozent, ihr Erkrankungsrisiko war als deutlich höher. Demgegenfiber lag die Zahl bei denjenigen, die sich drei- bis viermal pro Woche sportlich betätigten, nur bei neun Prozent. Das entspricht gegenüber den Couch-Potatoes einer Senkung des Gonarthrose-Risikos um knapp 40 Prozent. Selbst bei den Gelegenheitssportler mit ein bis zwei Trainingseinheiten pro Woche sank das Risiko noch um rund ein Drittel.
Das Risiko einer Erkrankung ist bei Nichtsportlern deutlich höher.
Die hochaktiven Athleten mit mehr als fünf Trainingstagen pro Woche hatten zwar ein Gonarthrose-Risiko, das dem Durchschnitt aller Probanden entsprach. Doch das heißt letztendlich nichts anderes, als dass ihre Kniegelenke zwar nicht mehr von ihrem Sport profitierten - aber einen überproportionalen Schaden nahmen sie auch nicht. Für Studienleiterin und Biomechanikerin Alison Chang steht daher fest, dass "intensiver Sport, vor allem in geringem bis mäßigem Umfang, zum Schutz vor Gonarthrose beiträgt". Wem es also das eine oder andere Mal im Knie zwickt, sollte nicht etwa sportliche Aktivitäten aus seinem Alltag streichen, sondern sie erst recht mit aufnehmen. Und er kann sich dafür auch auf die Jogging- Piste oder den Tennisplatz begeben, wo es etwas rauer für die Gelenke zugeht. Das Problem ist jedoch: Gerade Menschen mit Gonarthrose-Risiko scheuen die Bewegung. „Von unseren Probanden verzichtete fast die Hälfte komplett auf jegliche sportliche Aktivitäten“, so Chang. Vermutlich aus Angst, ihren Kniegelenken zu schaden. Aber diese Befürchtungen sollten jetzt eigentlich als Argument ausgedient haben. Dass Kniegelenke generell von regelmäßigem Sport profitieren, ist schon länger bekannt. Denn er stärkt die Muskulatur, was zu einer Entlastung des Knochenapparats führt. Außerdem sorgt er mit seinen Bewegungsreizen für Pumpkräfte in den Gelenken, sodass dort mehr Nährstoffe in das Knorpelgewebe diffundieren können. Lange Zeit dachte man jedoch, dass dieser Effekt unter stoß- und ruckartigen Bewegungen aufgehoben wird. Denn dabei kommt es zu mikroskopischen Verletzungen, die zu einem Entzündungsgeschehen führen, das den Knorpel angreift. Aber 2015 überraschten finnische Forscher mit der Entdeckung, dass selbst ein intensives Jump- und Step-Programm zur Gelenkgesundheit beiträgt. Das Team um Jarmo Koli von der Universität Jyväkylä ließ 80 Probandinnen - alle- samt mit beginnender Gonarthrose - ein Jahr lang dreimal wöchentlich zu einem ausgefeilten Aerobic-Training antreten. Jede Einheit bestand aus drei Phasen: einem 15-minütigem Warm-up, 25 Minuten Aerobic-Workout mit Jump- und Step-Übungen und 15 Minuten Entspannungsphase. Die Belastung wurde von Monat zu Monat gesteigert, bis die Frauen am Ende 20 Zentimeter hohe Schaumstoffhürden übersprangen. Aber die Kniegelenke nahmen das keinesfalls übel. Im Gegenteil. Ihre Beweglichkeit hatte sich nach dem einen Jahr deutlich verbessert, und die Faserstruktur in ihrem Knorpel war dichter und stabiler geworden. Die Frauen
hatten zwar nicht weniger Schmerzen als vor der Studie - aber eben auch nicht mehr, wie das ja sonst im Verlauf einer Arthrose üblich ist.
Beginnende Arthrose sollte also nicht als Warnung vor Sport, sondern eher als Aufforderung zu ihm verstanden werden. Selbst
dann, wenn er mit kräftigen Stoßbelastungen verbunden ist. Sportdisziplinen mit heftigen Körperkontakten und unkalkulierbaren Richtungswechseln bleiben jedoch tabu, weil sie das Verletzungsrisiko in den Knien erhöhen. So haben Fußballer ein deutlich er-
höhtes Risiko fiír eine Arthrose im Knie, bei professionellen Kickern führt keine andere Krankheit und Verletzung so oft zum Karriereende. Und das gilt nicht nur für den Herrenfußball.
28-JÄHRIGE FUSSBALLERin MUSSTE IHREN BERUF AN DEN NAGEL HÄNGEN
Anfang des Jahres verkündete die Olympia-Siegerin und 47-fache Nationalspielerin Tabea Kemme das Ende ihrer Laufbahn. Aufgrund eines Knorpelschadens im Kniegelenk, der es der gerade mal 28- ährigen sogar unmöglich machte, ihren Beruf als Polizistin auszuüben.